Orientierungslosigkeit ist hier fehl am Platz. Zwar ist die madina quadratisch angelegt, doch bei der Faszination bleiben die Himmelsrichtungen schnell mal auf der Strecke, die sie zurücklegt. Wie sie weiss, gibt es eine westöstliche Achse, die eins der babs mit der Zitadelle verbindet. Well!? Sie bedient sich weiblicher Schläue. Folgt ihrer Nase zur Gasse der Gewürzhändler. Westosten! Nun nur noch in die richtige Richtung.
Die Augen müssen sich erst wieder an das Licht ausserhalb des suqs gewöhnen. Sie blinzelt. Der Zitadelle entgegen.
„Die Festung ist berühmt für ihre Unbezwingbarkeit. Sie ist von weither zu sehen wegen ihrer enormen Höhe und ist ohnegleichen und ohne Entsprechung unter den Zitadellen. Von ihrer großen Stärke muß ein Angreifer, der sie einnehmen möchte und sie zu erobern beabsichtigt, kapitulieren.“ Was soll man den Worten Ibn Djubairs, einem Mekkareisenden und Tagebuchschreibers noch hinzufügen. Sie kann nicht besonders gut Geschichten erzählen. Wenn zudem auch schon alles ausformuliert ist.
Es klingt nicht so beeindruckend, wenn man im Reiseführer liest, die Zitadelle läge auf einem Hügel, durchschnittlich 55 Meter hoch gelegen. Steht man jedoch davor, kapituliert man. Psychologie der Architektur. Heute bedient man sich ebenfalls der Stufen. Gebäude der Macht haben immer Stufen, die man zurücklegen muss, um vorsprechen zu dürfen. Sie hat Glück. Sie kann sich an Öffnungszeiten orientieren. Sie kommt in friedlicher Absicht.
Nach unzähligen Stufen erreicht sie die kleine Stube, in der man das Ticket für die Besichtigung löst. Fozy, der Reiseführer auf der Zitadelle, ist stolz auf das internationale Publikum. Und die Berühmtheiten, die er bereits hier geführt hatte. Ein Bild an der historischen Wand bestätigt den Besuch des spanischen Königspaares. Hier. Mit stolz geblähter Brust. Auf seine Frage, woher sie käme, antwortet sie „ana min Almaniya, Munih“. Der Einfachheit halber. Er belehrt sie eines Besseren. „La.“ Liegt das etwa an ihrem Dialekt, den sie von muallimi min masr übernommen hat. Schon öfter gab es Erklärungsbedarf in diesen Ländern, in denen man bevorzugt shai trinkt. Mit diesem Dialekt in Verbindung mit ihrer Haarfarbe reichen dann schon mal die Vokabeln nicht aus, um sie davon zu überzeugen, dass sie aus dem Land kommt, in dem Rummenigge ein berühmter Fussballspieler war. Den kennen sie alle. Von einer Ägypterin erwartet man nicht, dass sie sich mit Fussball auskennt. Dass sie ebenfalls nix von Fussball versteht, verschweigt sie ihnen. Zu dieser Zeit war es in ihrer Heimat ja auch noch nicht so verbreitet, dass Frauen sich für Fussball interessieren. In Asien ist es nochmal anders. Ihre Haarfarbe in Verbindung mit ihrer Augen- und Hautfarbe lässt manche im Ungewissen. Manche Menschen ehrfürchtich erschaudern. Da war diese kleine chinesische Oma in Chiang Mai. Für Haddsch Walid, den owner des Barons, sind es ihre Augenfarben. Als er sich ein paar Tage später ins 1200 Kilometer entfernte Makka aufmacht, meint er zum Abschied, er würde sie und ihre blauen – and sometimes green eyes – vermissen. Für sie beten und sie, sobald sie wieder hier wäre, sofort wieder erkennen. „Anti min Freising.“ Hier, auf der Zitadelle wären Erklärungen eher kontraproduktiv.
Aiwa. Ana min Freising.