٠٠١٢ 0012

Eine Nachricht löst die Bilderserie von Angela Merkel als Baby, als Kind, in der Schule, mit Helmut Kohl, ohne Helmut Kohl, in den arabischen Nachrichten ab. Die Koalitionsverhandlungen in D scheinen noch nicht abgeschlossen. Wird sie nicht auf deutschen Fussball angesprochen, glänzen ihre Gesprächspartner mit Weltpolitik. Eine Frau als Regierungschefin macht hier einfach die Welle.

Ghazi Kanaan ist tot. In dem Buch, das sie gerade liest, fährt er gerade noch in seinem grauen Mercedes. Während eines Besuches bei den Alawiten. Selbstmord. Sagt man.

“Was meinst du, was hier passiert, wenn Assad gestürzt wird?” frage ich Hala.
Sie sieht mich verzweifelnd an. “Keine Ahnung. Aber wenn man an Präsident Marcos und die Philippinen denkt … So etwas wäre hier auch möglich.” Früher waren die meisten Alawiten arm, sagt sie. Sie bebauten das Land, und viele mußten sich in den nächstgelegenen Städten ihren Lebensunterhalt verdienen. Alawiten arbeiteten auf den Feldern reicher sunnitischer Landbesitzer, und ihre Töchter gingen als Hausangestellte wohlhabender Sunniten nach Latakia, Homs und Damaskus. Jeder weiß, daß diese Mädchen ausgebeutet und nicht selten vom Hausherrn vergewaltigt wurden. Das ist einer der Gründe, warum die Situation in Hama damals so außer Kontrolle geraten ist: Die Alawiten wollten ihre Mütter und Schwestern rächen. Aber auch ihre Morde werden eines Tages gerächt werden, meint Hala.
Farid ruft nach uns. Seine Eltern möchten uns zum Essen in ein nahegelegenes Dorf einladen. Sie selbst haben zwar kein Auto, aber soeben ist ein Bekannter eingetroffen, der sie mitnehmen will.
Über schattige, tannengesäumte Wege fahren wir Richtung Slenfe. “Das ist Ghazi Kanaan”, flüstert Hala kaum hörbar, als uns ein grauer Mercedes überholt. Kanaan ist der Kopf der militärischen Sektion des mukhabarat im Libanan.
“Was macht der denn hier?” frage ich verwundert.
“Wahrscheinlich gehen sie in Slenfe essen, genau wie wir.” Es ist Freitag, der islamische Sonntag, und mit einem solchen Wagen ist die Entfernung zwischen Beirut und Slenfe leicht zu überbrücken.
Der Parkplatz des Gartenlokals, das Farids Vater ausgewählt hat ist voll. Viele Autos mit saudischen, kuwaitischen und libanesischen Nummernschildern und da und dort ein wartender Chauffeur, der sich mit dem Polieren der Motorhaube die Zeit vertreibt. Nur mit Mühe finden wir einen freien Tisch. Eine Band spielt, und auf der Tanzfläche drängen sich die Paare. Man ist hier auf große Gesellschaften eingerichtet, und bald steht unser Tisch voll mit arrak-Flaschen, Halbliterflaschen Bier und Schälchen mit kleinen Gerichten.
Die Tore von Damaskus – Eine arabische Reise, von Lieve Joris, Piper-Verlag

Direkt nach dem Verhör zum Attentat auf Rafiq Baha’eddin al-Hariri. Und seiner Zeit als Chef des syrischen Geheimdienstes und operierender Einheiten im Lubnan. Ein deutscher Bundesstaatsanwalt war dafür nach Dimashq entsandt. Eine digitale Anzeige an einem Gebäude in Bairut zählt die Tage seit dem Tod von al-Hariri am Valentinstag 2005 in Bairut. 260 Tage werden verstrichen sein, bis sie dort sein wird. Aus dem Gebäude, vor dem die Bombe gezündet wurde, als der Konvoi von al-Hariri passierte, quillt der Baustahl.

Sie liest nicht gerne Reiseführer. Ebensowenig Gebrauchsanleitungen und Beipackzettel. Doch fast immer liest sie während ihrer Reisen speziell für ihre Reisen ausgesuchte Bücher. Der König von Siam. Der lange Weg zur Freiheit. Der Gesang der Wale. Die Säulen der Weisheit war schon einmal in ihrem Gepäck. Sie hat es noch nicht zuende gelesen. Diesmal wäre es ihr im Rucksack zu schwer gewesen. Der Assyrer musste sie beiseite legen. Zu düster. Deshalb hat sie dieses Buch entdeckt.

Über eigene Politik sprechen in diesem Land nur wenige. Das Buch hatte sie bereits darauf vorbereitet. Da die Autorin des Buches sich auf die jüngere Vergangenheit bezieht, wird sie sich tatsächlich einige Hinweise zu Herzen nehmen. Wie zum Beispiel das Schreiben in der Öffentlichkeit.

So, nun ist der Rucksack für den Aufbruch morgen gepackt.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

One moment, please...
Loader
Please wait while your request is being verified...

HTML Snippets Powered By : XYZScripts.com