Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde. – Genesis 1,1
Sie will zur Wiege der Menschheit. In den Garten Eden. Eden ist nicht mehr weit. Ihre Füsse im al-Furat kühlen. In die Augen der mesopotamischen Urgöttin Tiamat blicken.
Ein letztes Mal Frühstück im Speisesaal des Baron’s. Ein letztes Mal mit ihrer Tasse in die Bar. Ihre letzte Zigarillo zum Kaffee geniessend. An ihrem Platz. Der Platz scheint als für sie reserviert. Ein letztes Mal über die imposante Treppe zu ihrem Zimmer und Zurück in die Halle. Herzlicher Abschied an der kleinen Rezeption unter der Treppe. Ein letztes Mal über die Terrasse, die Stufen hinunter zur Strasse. Umblickend. Zum Büro von Ahmad, in dem sie verabredet sind. Er hatte einige Tourvorschläge für sie. Doch nur für diesen einen Tourabschnitt ihrer Vorstelllung braucht sie Unterstützung. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre diese Route schwer zu machen gewesen für sie. Sie erreicht sein Büro mit Rucksack quer durch die Stadt pünktlich. Manchmal hat sie das Gefühl, ihre Pünktichkeit wüde eine Missachtung der arabischen Kultur darstellen. Auch diesmal. Ahmad wühlt noch geschäftig in seinen Papierstapeln auf seinem Schreibtisch. Der Bus samt Fahrer ist noch nicht da. Einige Gläser Tee und kann es losgehen.
Zuvor war sie noch im Internet-Cafe: ihr habibi hat auf ihr email geantwortet. Endlich Nachricht von Tini. Ihre sms kommen bei ihr nicht an. Nun der Kontakt über email – Freude. Eine Freundin ist verliebt in ihren Prinzen, den sie im Internet kennengelernt hat. Er auch in sie. Zuhause also alles gut.
Kurz nachdem sie Halab verlassen haben über landschaftlich schöne und fruchtbare Gegend – Ahmad hat gleich die Kuschelrock-CDs eingelegt – besuchen sie eine Bienenwabenhäusersiedlung, das auf dem Weg lag. Es handelt sich um einen jahrtausendalten Baustil für Lehmziegelhäuser, die ihre Bewohner im Sommer vor der Hitze und im Winter vor der Kälte schützen. Einfach zu errichten. Sofort sind etliche Kinder in verschlissenen Kleidern und filzigen Haaren um sie versammelt. Nach qalams fragend. Verneinend bewerfen sie den Bus mit kleinen Steinen. Einen der Männer besuchen sie in einem dieser Häuser. Manche Traditionen können sich aber anscheinend auch hier über Jahrtausende auch nicht halten. Der Mann verrät, während immer mehr Freunde sich in seinem Häuschen versammeln, dass man als Mann mindestens 10 Kinder zeugen muss. Auch er hat 10 Kinder. Sie dienen als Altersversicherung und vor allem als Lebensversicherung. Man brauchte ein kleines eigenes Heer, mindestens 10 Kinder, um sich bei Fehden ausreichend verteidigen zu können. Heute wären die Mütter nicht mal mehr bereit, ihre Kinder an der Brust zu stillen. Stattdessen wird Kuhmilch verfüttert. Auch die Fehden werden weniger. Seinen Gästen bietet er frische Gurken an. Der Besuch interessiert sich für Schröder & Chirac. Und versuchen sie von 10 eigenen Kindern zu überzeugen. Etwa mit Papa im Tor!?
Der weitere Weg führt zum Assad-Stausee, für die sie noch eine Militärstation passieren müssen. Über dem Stausee trohnt eine der Burgen Suriyas. Djabar. Einst hatte sich darin ein arabischer Kleinfürst verschanzt.Von iranischen Seldschukensultan Malik Shah im Jahre 1087 ist die Rede, von den Truppen Balduins II. im Jahr 1104, Kreuzfahrer-Grafschaft Edessas, Imadaddin Zengi, Vater des berühmten Nureddin um 1144. Ahmad weiss einfach alles.
Das Wasser des Stausee ermöglicht die Bewässerung einiger hunderttausend Hektar Ackerland. Mittlerweile versorgt der Stausee auch die beiden grössten Städte Suriyas mit Elektrizität. Sie verzichtet auf die Besichtigung Djabars. Stattdessen machen sie einen Bootsausflug auf dem Stausee, um die Burg von allen Seiten bequem von dem Boot aus zu besichtigen.
Auf der weiteren Route passieren sie noch eine antike Stadt, bevor sie Dair az-Zor erreichen. Nicht, ohne vorher um 1704 noch eine Esspause einzulegen. Auf ihrer Route sind sie nun östlicher als Halab, deshalb dürfen sie 6 Minuten früher Fastenbrechen. Sie sind nur 140 Kilometer von der irakischen Grenze entfernt. Gut 220 Kilometer von Palmyra, der berühmtesten Ausgrabungsstätte Suriyas.