Kaum hatten sie Dayr az-Zor erreicht, sind die Männer schon wieder mit dem Bus verschwunden. Nach Bezug der Zimmer macht sie sich auf, sich hier umzusehen. Der soq soll hier zwar nicht so gross sein wie in Halab. Aber deutlich bunter, weil hier die Söhne der Wüste aus der Gegend ihre Waren verkaufen und den Bedarf besorgen.
Sie will sich eindecken mit etwas Proviant für die weitere Reise. Ma, tamar, birra. Hier kann man sich anscheinend richtig unbeliebt machen, wenn man nach birra fragt. Sie sind in einer anderen Zeit und Kultur gelandet. Ältere Frauen hier tragen eine Art Rüschentischdecke über Haupt und Körper.
Zwei Geschäfte weiter bietet der Besitzer Alkohol, soweit das Auge reicht. Whiskey und Schnaps, soviel davon, dass man blind werden könne. Sie hat sich gleich mal 4 Stella für die nächsten Tage auf Halde gelegt. Als sie so am Strassenrand sitzt, um darauf zu warten, dass ihre beiden Ahmads wieder mit dem Bus zurückkommen, hält ein Radfahrer. Ein ungewohntes Bild. In manchen arabischen Staaten gilt das Fahrrad als Esel des Satans. Nach der Frage nach dem Woher war eine Laudatio auf Almanyia fällig. Eine Lobeshymne auf Almanyia, Almanyia, Almanyia. Das hat natürlich seinen Preis: sie solle ihm 15 EURO geben. La! Na, dann solle sie ihm eben 15 $ geben. La! Für seine Darbietung hätte er eigentlich mehr verdient.
Mit Ahmad ist sie um 2007 zum Abendessen verabredet. Nicht ganz einfach in diesem eigenartig anmutenden Ort, an Essen zu kommen. Die Restaurants sind hier während des Ramadans komplett geschlossen. Nicht einmal nach Sonnenuntergang findet man hier etwas öffentlich zu essen. Sie geben noch nicht ganz auf, fahren mit dem Taxi in die madina. Einzig ein Laden bietet Pizza Ketchup and some pastries to go. Mit dem Taxi wieder zurück zur Fussgängerbrücke. Der Platz ist eingerichtet für Picknicks unter freiem Himmel. Den Rest des Essens verfüttern sie an die streunenden Katzen, die sich hier auf Essensreste von Picknickern eingerichtet haben. Der Ramadan macht auch ihnen ganz schön zu schaffen. Nach Gesprächen um Leben und Lieben machen sie sich zu Ahmad dem Fahrer auf in einem Cafe. Niemand dort, der sie dort nicht bemerkt. Alle Augenpaare auf sie gerichtet, dringt sie doch in diese exklusive Männerdomäne ein. Auf den Weg zurück ins Hotel Ziad lässt ein Mann von ihr nicht ab. Verfolgt sie, wird schneller. Grabscht sie von hinten. Wow, war sie erschrocken, bleibt abrupt stehen, dreht sich um. Muss ihn angesehen haben. Er weicht zurück. Mit sicherem Abstand blieb er wie angewurzelt stehen. Wie ein ängstliches Tier hat er sie angesehen. Sie wird diesen Blick so schnell nicht vergessen. Setzt ihren Weg fort. Lässt ihn zurück.
Ein Frettchen aufrecht im Mantel der Nacht. Auf der Suche nach leichter Beute. Mäusen. Oder Regenwürmern. Kaninchen wäre es nicht gewachsen. Schwach und hinterlistig nimmt es die Fährte auf. Nicht häufig erhält es diese Möglichkeit. Nur selten verirrt sich leichte Beute hierher. Verfolgt sie. Sich sicher, dass seine Beute nicht im schützenden Verbund unterwegs ist. In der Schutzlosigkeit der Nacht. Sein Puls steigt. Nur wenige Meter. Wird schneller. Ihre Geschwindigkeit unverändernd. Schnappt es sie. Ihre Entschlossenheit eines Kaninchens irritiert es und lässt es zurückweichen. Die Haltung im Schutze des Mantels der Nacht weicht. Der Blick verstört.
Von ihrem Hoteleingang aus sieht sie es noch verschwommen aus sicherer Entfernung an der Stelle, an der sie es zurückgelassen hatte. Es wird diesen Blick so schnell nicht vergessen.