Noch bevor sie sich von der kalten Dusche erholt hat – sie schlüpft ins Bett – meldet sich Fayez am Telefon bei ihr. Sie solle in sein Büro kommen. Hamish und Ilio seien angerückt mit ihrem Port aus dem Duty Free Shop. Dort kann man natürlich nur einkaufen in Verbindung mit einem internationalen Flugticket und einem ausländischen Pass. Zusammen mit Fayez‘ Bell’s herrscht eine ausgelassene Stimmung.
Obwohl Fayez ihr Taxi für die Abreise abgesagt hat, hat sie am nächsten Morgen das Bedürfnis, eine Station weiterzuziehen. Nach dem Frühstück erreicht sie Zeyad. Er sortiert seine Pläne neu und holt sie eine Stunde später ab. Sie hatte schon öfter das Bedürfnis, weiterzuziehen. Manchmal stellte sich das Gefühl ein, dass die Zeit dafür gekommen war. Manchmal wurde es ihr zu eng. Sie zahlt den Zimmerpreis für die Tage und checkt aus. Schade ob der Tatsache, dass ihr Zimmer mittlerweile in regelmässigen Intervallen gereinigt wurde.
Sie möchte gemütlich über die King’s Road. Seit der Neuzeit gibt es auch den ausgebauten Desert Highway. Sie jedoch bevorzugt die Route Alexander des Grossen, Nabatäern, Kreuzfahrern, der Israeliten ins Gelobte Land und vielen mehr. Die King’s Road, die bereits Erwähnung findet im Alten Testament, bot den Reisenden ausreichend Wasserquellen und Schutz in den Wäldern. Ihre Fahrt geht über die atemberaubenden Canyons.
Auf ihren Wunsch hin fahren sie noch Mukawir an. Es gibt einen unumstösslichen Grund dafür. Vorher besuchen sie noch eine Station der Save the Children-Initiative. Sie beschäftigt inzwischen 1500 Beduinenfrauen, die farbenfreudige Teppiche weben und zum Verkauf anbieten. Schirmherrin des Bami Hamida House ist keine weniger als Her Majesty Rani. Die wunderschöne Gemahlin des Königs Abdullah II (sein Stammbaum geht zurück bis zum Propheten Mohammad) stammt ursprünglich aus den Westbanks. Ungewöhnlich für die Länder, die sie bisher bereist hat, sind die Palästinenser in Jordanien nicht in Camps untergebracht. Sie sind Teil der jordanischen Gesellschaft.
An der Farbe der Kufiyahs kann man die politische Ausrichtung des Trägers ablesen oder den Rang in der Gesellschaft, zum Beispiel den der Ältesten. Mittlerweile nicht unbedingt mehr Garant dafür. Mittels ihrer Trachten erkennt man jedenfalls die Herkunft. Das geschnitzte Pärchen, das sie gekauft hat, vereinigt einen grossgewachsenen stattlichen Mann des Nordens mit einer grossen Fraudes Südens, die zwar etwas schief steht, aber sehr elegant wirkt. Zum Reisen ist der Rucksack ein Segen. Bei dem Kauf von Teppichen jedoch würde er zur Einbahnstrasse.
Mit jedem Kilometer fiebert sie stärker. Die kalte Dusche nach dem verkühlten Ausflug ins Jordan Valley hat ihr noch den letzten Stoss versetzt.
Im Valley gibt es keinen Horizont.