Ihr Cowboy kann sie nun doch überreden, sie auf Pferd den secret way hochzuführen. Den wohl schönsten Sonnenuntergang hoch über Petra und Wadi Musa zu geniessen. Obwohl ihr die Pferde leid tun, stimmt sie dann doch zu.
Es geht die Strasse hoch. Vorbei an der Siedlung, in der er wohnt. Als die Sonne bereits zu knistern beginnt, zweigen sie ab ins Gelände. Über Stock und Felsbrocken in den Hang hinein holt sie wieder das Mitgefühl mit dem Pferd ein. Sie beschliesst, allein zu Fuss weiterzugehen und bricht die Tour ab. Lässt sich noch kurz den besten Platz beschreiben und schickt Pferd samt Cowboy zurück. Sie wählt einen Platz mit guter Stimmung und geniesst den Ausblick und Sonnenuntergang. Shams. Sie fühlt sich so fcuking allein. Was sich mit fortschreitender Dunkelheit noch steigern soll. Im Gegensatz zu Fayez hat habibi sich schon seit Tagen nicht mehr bei ihr gemeldet.
Ein Nebeneffekt dieser Reise sollte sein, sich über ihre und vor allem über seine Gefühle klar zu werden. Anhaltspunkte dafür gäbe es zu Hauf. Eigentlich weiss sie es ja bereits. Wusste es bereits lange vor Antritt dieser Reise. Es ist nur so schwer, weil sich Herz-Bauch-Verstand nicht so einfach synchronisieren lassen. Wenn man meint, man hätte die Liebe des Lebens gefunden. Wenn man nachts nicht schlafen kann, weil man keinen seiner Atemzüge verpassen möchte. Heute ist er einer ihrer besten Freunde. Nur damals nicht. Sie liebt ihn noch immer. Nur anders.
Ein Richtwert für Reisen über einen längeren Zeitraum ist, dass nach etwa zwei bis drei Monaten das Heimweh geheilt ist. Um den Lieben nahe zu sein, sehnt man sich nicht mehr nach dem Alltag mit ihnen. Es reicht der Gedanke an sie, um das Herz zu wärmen. Das Heimweh hat sie längst überwunden. Doch nun stellt sich Abschiedsschmerz ein. Es bleiben ihr nur noch dreieinhalb Wochen, bis sie sich nach Hause aufmacht. Sie hätte gute Lust noch weiterzureisen. Vielleicht auch weniger Zeit, wenn sie nicht das Flugzeug von Kairo aus nimmt. Sie würde sich der Heimat gerne langsamer nähern. Mit einer Fähre oder einem Frachter von Aleksandria nach Europa übersetzen. Sie will ihre Familie überraschen und Weihnachten mit ihnen verbringen. Ihre Mutter macht sich mittlerweile so grosse Sorgen um sie, dass eine Gürtelrose sie plagt. Nun zählt sie bereits rückwärts.
Sie weiss nicht genau, wie lange sie dort noch gesessen hat. Die Sonne ist längst untergegen. Schliesslich macht sie sich beschwerlich über Felsbrocken und Stock aus dem Gelände. Als sie endlich am Hotel ankommt, teilt ihr Osama an der Rezeption mit, dass sich zwei Jungs nach ihr erkundigt hätten. Ob sie wieder im Hotel zurück wäre. Anscheinend hat sich ihr Cowboy Sorgen gemacht. Selbst Osama war durch die Nachfrage verunsichert und freut sich sie gesund und munter zu sehen. Wenn auch ihre Stimmung arg verhalten ist.