015 \ Wer lange sinnt, beginnt nicht — und wer nicht beginnt, gewinnt nicht.

Arabisches Sprichwort.

04/15/2005

Düneneinstieg bei Tachokilometer 26665.

22.30
Die Wolldecke bleibt heute im Truck. Zu später Stunde sitze ich bei lauer Brise und geschätzen 25 °C. W übernachtet draussen. J schläft bereits. Selbst mein spätes Duschen und dem damit verbundenen Wasserpumpengeräusch konnte ihn nicht irritieren. Allerdings habe ich die Pumpe nicht übermässig bemüht. Noch habe ich mich nicht an kaltes Wasser gewöhnen können. Werde es wohl auch nicht mehr.

J hatte einen wirklich schweren Tag. Notoperation in der Wüste. Wieder einmal ein alles entscheidender Tag: Als Sulaiman anhält und Luft aus den Reifen nimmt, wird es klar. Was sich im Dunst erahnen lässt, wird zur Realität. Ab in die Dünen – für J Premiere. Sulaiman spielt sich mit seinem Toyota mit den Dünen, als würde er zu Schwanensee tanzen. Der MAN tut sich schon deutlich härter.

Nach jedem Fehlversuch testet J neue Optionen zum erfolgreichen Dünenübertritt: dritter Gang, Untersetzung rein, Untersetzung raus, zweiter Gang, dritter Gang. Der vierte Gang disqualifiziert sich selbstredend noch vor Erreichen des Dünenfusses – zu untertourig selbst bei Vollgas.

Eine Düne hunzt sogar den Toyota. 15 Versuche später – immer wieder auf der Suche nach der richtigen Stelle, dem richtigen Winkel, und dem richtigen Anlauf – dürfen wir auch schaufeln und die Sandbleche spielen lassen. Die nächsten Dünen laufen ganz gut. Mit Mut zum Vollgas werden die Versuche weniger. Hat man erst die Dünenauffahrt geschafft, muss man auf dem Kamm im richtigen Moment das Gas wegnehmen. J lernt schnell.

Und dann passiert es: Vollgas auf die Düne und ungebremst über den Kamm. W muss sich im Liegen kurzzeitig schwerelos gefühlt haben wie Batman. Mein Sitz hat auch mich während des Fluges freigegeben. Alles was vorher noch nicht aus den vorderen oberen Fächern gefallen ist, hagelt es stürmisch.

Kurzzeitig fehlt der Überblick. Wie ein Stein auf dem Wasser springen wir noch ein zweites Mal nach. Vom Sprung habe ich kaum etwas gesehen. Ich war fast ausschliesslich mit dem Abwehren des fliegenden Inventars beschäftigt.

Als der Truck schliesslich zum Stehen kommt, harren wir schweigend und bewegunglos für einige Momente, um zu realisieren, was sich eigentlich gerade zugetragen hat. Man spürt förmlich, wie alle erst einmal tief Luft holen. Als wir den Truck auf mögliche Schäden untersuchen, entdecken wir Js Verletzung am Kopf: ungebremst über den Kamm, Schleudersitz aktiviert ohne Sicherheitsgurt und mit der linken Kopfseite gegen den in Deutschland noch eben montierten Karabiner. Blut fliesst. Am Truck ist augenfällig kein Schaden zu entdecken.

Der Essbereich wird zur Notaufnahme. Trotz schütteren Haares an der Wunde muss die Stelle ausrasiert werden. Beim Klingenwechsel für eine möglichst sterile Operation, verletzt sich auch W noch. Die 2,5 Zentimeter lange Schnittwunde wird mit drei strips getaped. Mull drauf. Cap drauf. Yallah!

Der Kühlschrank hat gehalten. Ansonsten hat so ziemlich jedes Fach die Klappen spielen lassen. Inklusive der beiden Badoberschränkchen, deren starke Magnetverschlüsse ich selbst mit Entschlossenheit und meiner darauf konzentrierten und vereinten Kraft fast gar nicht gelöst bekomme.

Und jetzt sitz ich da auf N 27° 24’ 51,5“ E 10° 43’ 25,2“ bei 25 °C.

Aber der Kühlschrank hat gehalten.

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