039 \ Ehre deinen Gast, auch wenn er ein Ungläubiger ist.

Arabisches Sprichwort.

In Misratah führt uns unser erster Weg zur Tankstelle. Obwohl wir Lib$ nötiger hätten. Generell geht uns freitags das Geld aus. Schlechtes Timing. Freitag ist der Sonntag der arabischen Welt. Ali hilft uns mit 80 Lib$ aus der Patsche.

Zurück in der Zivilisation gehen wir auswärts essen. Es gibt Couscous – Makkaroni für J. Al hamdullilah! Reis sollen lieber die Asiaten essen. Und schon füllt sich das Lokal mit einer Truppe asiatischer Gastarbeiter.

J wittert seine Chance zur Rasur. W und ich stromern währenddessen durch den Ort. Beobachten die reduzierte Geschäftigkeit auf den Strassen. Drei Männer konzentriert stumm gebückt über einem geöffneten Motorraum. Beim Anblick der porentief reinen weissen und beigen gestärkten und gebügelten Hosen wird W neidisch. Eine verlorene Puppe in einer Wasserpfütze. Ähnlich der meiner Kindheit. Wir treiben ohne Weg und Ziel.

Irgendwie hätten wir hier auch per Zufall in einen gutbürgerlichen Stadtteil wabern können, wie während einer anderen Rasurpause in einem anderen Land in einer anderen Stadt zu einer anderen Zeit. Durchwegs weiss getünchten Häusern. Gepflegten Gärten. Weissen Gartenmauern. Es ist kaum jemand auf der Strasse. An einer der weissen Gartenmauern befeuchtet ein Junge gerade den Staub der Strasse. Über den zum Austausch von Höflichkeiten bereiten Blickkontakt, lädt er uns unmissverständlich in das weissgetünchte Haus hinter der weissgetünchten Gartenmauer seiner Familie ein. Er bittet uns, auf den edlen Kissen, die den Platz des Raumens rahmen, Platz zu finden. Er verständigt die weiteren männlichen Familienmitglieder, die uns ebenfalls herzlich empfangen. Kühles Cola und Kekse werden gereicht. Einer der älteren Brüder spricht Englisch und erklärt uns, dass er im Zentrum ein Internetcafé betreiben würde. Gleichzeitig übersetzt er für Vater und Brüder. Als ich mich vorsichtig neugierig zeige, um mehr über die Familie zu erfahren, werde ich nach kurzer Abwesenheit einer der Brüder gefragt, ob ich Interesse hätte, die Frauen des Hauses zu besuchen. Vorher wurde die Frau des Hauses um Erlaubnis zur Einladung gebeten – dem Grund seiner kurzen aber entscheidenden Abwesenheit. Nur Frauen und Kindern ist der Zutritt dieses Bereiches des Hauses gestattet. Ich bin eingeladen. An der Türe zeigen sich die Damen des Hauses noch distinguiert verschleiert. Ich selbst trage einen Schal um Kopf und Figur verhüllend. Kaum schliesst sich die Türe hinter mir, lüften sie aufgeregt und kichernd ihre Kopftücher. Zum Vorschein kommen mit Henna gefärbte rote Haare. Natürlich möchten sie auch meine Haarfarbe näher betrachten. Fast mitleidig blicken sie auf meine schwarzen Haare. Wüssten sie, dass ich meine natürliche Haarfarbe vorsätzlich von strassenköterblond ins Schwarze gewechselt habe, würden sie mich aller Wahrscheinlichkeit nach mit Unverständnis, statt Mitleids betrachten. Selbst, wie sich meine Haut anfühlt interessiert sie. Es ist ein wildes Treiben. Ich geniesse die Zeit sehr. Auch, um mal wieder ausgelassen Mädchen sein zu können. Nachdem alles entdeckt ist, verabschieden wir uns. Ausgestattet mit Henna, kohl und einem neonpinkfarbenen Hausmantel der Marke NIKI mit Swoosh verlasse ich dieses kleine Wunderland.

Als W und ich zurück beim Barber erscheinen, ist J bereits fertig und schon beim Kaffee. Ali gönnt sich anschliessend ebenfalls ein BeautyProgramm.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

301 Moved Permanently

Moved Permanently

The document has moved here.


HTML Snippets Powered By : XYZScripts.com